„Solidarität ist das Gebot der Stunde!“ - so stand es kürzlich in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung.
Plötzlich entstehen Nachbarschaftshilfen, man bestellt sein Mittagessen beim Lokal um die Ecke und holt es selbst ab, gibt gerne Trinkgeld und versucht den Einzelhandel vor Ort zu stärken. Auf der anderen Seite finstere Mienen von Politikern, wenn es um Finanzhilfen und die verbundenen Kosten damit geht und die „Schwarze Null“ in Gefahr gerät, von europäischen Lösungen zur Finanzierung der Folgen von Corona ganz zu schweigen…
Solidarität also: Lokal ja, global hingegen mit „Ja, aber…“
Etwas widersprüchlich und damit Zeit für uns, sich in unserem Podcast mit dem Thema Solidarität etwas auseinanderzusetzen.
DG: David Geitner
DN: David Naßler
DN: Servus, die zwei Davids sitzen gerade im wunderschönen neuen Garten des Gemeindehauses Heuchling
DG: Beziehungsweise: Wir wollten eigentlich im Garten sitzen, aber heute hat es ein bisschen geregnet. Deswegen mache ich mal kurz den Vogel: piep, piep, piep, piep, piep. (lacht)
DN: Ja, den haben wir in der vorletzten Woche umgestaltet und wirklich einladen gemacht. Zieht euch mal beim Podcast hören die Schuhe an und schaut mal vorbei. Oder checkt den YouTube Channel: EJLAUF. Auch in der Podcast Beschreibung verlinkt. Ja, in der Vorbereitung des Podcast habe ich schon gemerkt, dass dir das heutige Thema sehr wichtig ist und du einfach auch mal darüber sprechen möchtest. Solidarität in Bezug auf das Gemeinwohl und der Volkswirtschaft. Keine Angst, wir werden Begriffe sehr gut erklären und das wird wirklich spannend.
DG: Ja, das hoffen wir und das stimmt. Ich versuche auch langsam zu sprechen, um das zu erklären. Ja es ist mir wirklich, ein Herzensanliegen und ich kam darauf, weil ich letzte Woche in der Zeitung gelesen habe: Solidarität ist das Gebot der Stunde. Und das entsteht über Nachbarschaftshilfen, man bestellt sein Mittagessen beim Lokal um die Ecke. Man holt es dann sogar noch selber ab. Man gibt plötzlich gerne Trinkgeld und man versucht den Einzelhandel vor Ort zu stärken. Auf der anderen Seite, finstere Mienen von Politikern wenn es um Finanzhilfen und die verbundenen Kosten damit geht. Und die Schwarze Null, also einen ausgeglichenen Staatshaushalt, bei dem die Ausgaben die Einnahmen nicht übersteigen gerät in Gefahr, wenn europäische Lösungen zur Finanzierung der Coronafolgen gesucht werden. Solidarität, also, lokal „Ja“, global hingegen so mit „Ja, aber!“. Etwas für mich persönlich ganz Widersprüchliches. Und damit eben Zeit für mich, oder auch für uns, das in den Podcast mit dem Thema Solidarität mal ein bisschen genauer uns auseinandersetzen. David, Solidarität kommt vom lateinischen und heißt echt oder fest. Wird also oft mit Verbundenheit übersetzt. Wie drückt sich denn für dich echtes Miteinander aus? Und wann hast du das letzte Mal echte Solidarität erfahren?
DN: Ja also, echtes Miteinander ist für mich wenn Geben und Nehmen sich die Waage halten. Also zum Beispiel: es ist keine einseitige Freundschaft oder Liebe, sondern es beruht sich einfach auf Gegenseitigkeit. Und das letzte Mal habe ich es erfahren an Muttertag. Das ist jetzt noch nicht so lange her. Mit der Familie. Und zwar, war da auch mein Onkel dabei. Und wir haben über das Thema Urlaub und Rückerstattung gesprochen. Und er meint, er will das Geld nicht zurück für eine Reise, sondern er will einen Gutschein mit den Worten: „Vielleicht bin ich komisch, aber-, also dass ich so denke, aber die Reisebüros müssen auch von was leben.“
DG: … spannend dieser Gedanke, von deinem Onkel. Da wollen wir später nochmal darauf eingehen und das ein bisschen vertiefen. Jetzt nochmal zurück zu dir: Wie kannst du diese Verbundenheit in deinem Unternehmen-, also mit deinen Mitarbeitern, Kunden oder auch mit anderen Markteilnehmern denn leben. Und wie machst du das?
DN: Ja, also eigentlich in dem wir uns irgendwo für ein Ziel zusammenschließen und das auch gemeinsam leben. Ein einfaches Beispiel: Wir haben alle zwei Jahre eine Hausmesse. Da kommen Kunden, Lieferanten, Partner zu uns ins Haus und wir schwören uns vorher ein. Das heißt, wir stehen alle im Kreis, wir nehmen die Leute mit. Wir machen nochmal klar was unsere Ziele sind. Und es müssen auch Ziele sein, die die Mitarbeiter motivieren. Und ein anderes Beispiel: Wir haben zum Jahres Kick-Off 2020 einen Mach-Es-Button gemacht. Ja dann hat halt jeder hier so an der linken Seite einen Button gehabt. Da stand drauf: Mach Es! Und da ging es um das Ausarbeiten von Strategien für dieses Jahr. Die sind jetzt ein stückweit-, haben sich verändert durch Corona, aber einfach dieses: nicht nur drüber nachzudenken, sondern wirklich auch es zu machen.
DG: Und das gemeinsam, quasi, vorher dann-. Geben und Nehmen und jeder, sozusagen, mit seinem Teil, wo er beiträgt. Cool.
DN: Ja, in Hinblick auf Kunden. Da geht es um das Thema Respekt, also wie sehe ich den Kunden. Nervt er mich mit seinen Anfragen? Oder trägt er dem Umsatz des Unternehmens bei? Wir haben da so Aufsteller, die habe ich jetzt leider vergessen, aber-. Die wollte ich eigentlich mitnehmen, auf denen draufsteht: Was ist ein Kunde?
DG: Gibt es auch Boxsäcke mit Kunden? (lacht) Für die, die besonders nervig sind.
DN: Ja, die sind auch wichtig. (lacht) Ja, aber da werde ich auch in der Beschreibung des Podcast das reinschreiben: Was ist ein Kunde? Was bedeutet es für uns? Und in Bezug auf Wettbewerb-. Ja, das ist schon schwer da ein Miteinander zu haben. Aber es ist auch immer ein leben und leben lassen.
DG: Das heißt ja-, die Frage: Welche Strategien man da anwendet, um vielleicht auch im Wettbewerb zu bestehen? Also, da gibt es ja unterschiedliche Herangehensweisen und man kann auch zum solidarischen Wettbewerb üben und muss nicht über Ausgrenzung das machen. Gibt es für dich unterschiedliche Rollen als Unternehmer, als Freund, als Partner, Kollege, wie auch immer. Definierst du da Solidarität anders?
DN: Ja, schon. Also, erstmal gibt es natürlich auch Grenzen. Und eine Grenze ist dann erreicht, wenn es irgendwo mal gegen meine Werte verstößt. Und zu den Rollen. Also, ich finde da gibt es ganz unterschiedliche Toleranzen, habe ich festgestellt. Also, eine niedrige Toleranz habe ich, wenn ich das ganze privat passiert. Und eine hohe Toleranz, weil wenn es geschäftlich ist. Das ist, eigentlich paradox, dass man geschäftlich mehr zulässt. Aber vielleicht deswegen, weil es für ein größeres Ganzes ist. Das heißt, weil es da einfach auch wieder solidarisch ist.
DG: Du bist ja verantwortlich für das große Ganze, als Unternehmer. Es muss ja weitergehen, dass ist die Verantwortung, die du trägst. Lass uns mal einen Schritt eben auch weiter gehen. Solidarität in der Familie. Das ist klarer abzugrenzen. Wie sieht es denn mit Solidarität in der Gesellschaft aus? Ein großer Punkt, der immer wieder diskutiert wird, ist die gesetzliche Rentenversicherung. Und da gibt es so zwei Konzepte, die seit Jahren diskutiert werden. Einmal das Kapitaldeckungsverfahren und dann das Umlageverfahren. Wie stehst du dazu, oder?
DN: Genau, also erstmal, will ich mal kurz sagen, dass man das noch kurz erklären-. Ich musste da auch selbst ein bisschen recherchieren. Umlageverfahren bedeutet, quasi die heutige Erwerbstätigen zahlen die Rente für die heutigen Rentner. Und Kapitaldeckung ist: Jeder spart für sich. Also Lebensversicherungen oder kapitalbildende Berufsunfähigkeitsversicherungen, und so weiter. Und ich denke das System ist gut, aber benachteiligt weniger Wohlhabende. Und zwar auf der einen Seite haben Menschen, die sich nichts oder wenig fürs Alter zurücklegen können, die Möglichkeit überhaupt eine Rente zu beziehen. Und auf der anderen Seite, aber eben, haben sie nur die staatliche Rente und die reicht ja oft nicht. Also Stichwort Altersarmut. Also bei uns wird es immer einen Mix geben. Man muss auch sagen, dass Lebensversicherungen ja auch am Ende wenn sie ausbezahlt werden einer Steuer unterliegen. Das heißt, diese Steuer, die kommt ja dann auch wieder dem Gemeinwohl zu.
DG: Ja, absolut. Mir ist aber da noch so ein Aspekt mit wichtig in diesem Kapitaldeckungsverfahren. Also für die, die selbst und privat vorsorgen-. Da verleiht die Privatperson das Geld an eine Bank und die wiederum an den Fonds-, oder Fondsbank zusammen. Je nachdem wie man es dann sehen will.
DN: Ja, genau. Also wir haben versprochen, dass wir Begriffe erklären. Ein Fonds, könnt ihr euch vorstellen wie ein Topf, in den viele Personen Geld einzahlen. Und das Geld wird dann in Wertpapiere oder Immobilien investiert. Und wenn alles gut geht, bekommt am Ende jeder auch aus dem Topf mehr Geld als er eingezahlt hat.
DG: Genau, was passiert aber dann in diesem Topf? Der Fonds leiht das Geld einer Person, einem Unternehmen. Und das Unternehmen investiert das Geld sofort dann in Sachanlagen. Sachanlagen sind eben, wie du gerade gesagt hast, Immobilien oder letzten Endes auch andere Lebensversicherungen. Man verspricht, dass man in Zukunft eben Zinsen zahlen kann, den Gewinn: Nur-. Und das ist für mich der Knackpunkt. Der Investor muss heute Gewinne machen, will er überleben und später eben diese Zinsen auch zahlen können.
Für das einzelne Unternehmen bzw. den einzelnen Sparer verständlich. Versucht jedoch eine große Gruppe der Volkswirtschaft heute und das ist das Thema, mehr zu sparen als vorher, dann sinkt die Chance unseres Investors ordentliche Gewinne zu machen. Denn je mehr gespart wird, desto weniger geben die Haushalte aus. Je höher die Sparquote desto geringer die Investitionsquote der privaten Haushalte Das ist somit keinesfalls gesagt, dass diese Kapitaldeckung ausreichend sein wird, dass diese zukünftigen Zinsen oder Renditen dann auch bezahlt werden. Und damit ist auch zukünftig nicht wirklich sicher, ob denn du auch diese Rente, in der Höhe, wie du sie einbezahlt hast, und darüber hinaus, mit dem Gewinn dann eben auch bekommst. Und das Zweite: das Geld fehlt kurzfristig zum Konsum und damit eben der Realwirtschaft, dem Warenverkehr und den Dienstleistungen. Vielleicht nochmal zum Umlageverfahren. Das ist mir persönlich einfach, aus einer solidarischen Sicht besser gefällt. Erhöht man die Löhne analog der Produktivität. Also, dem „Geld“ was eine Volkswirtschaft erwirtschaftet als Ganzes, dann steigen die Einnahmen aller Beschäftigten und diese können auch mehr in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Lohnerhöhungen schützen so vor Altersarmut und zwar alle. Denn wenn die Löhne steigen, steigt der Betrag zur Rentenversicherung, und der steht mir dann später, hoffentlich natürlich auch zur Verfügung.
DN: Ja, natürlich außer bei der Steuerhinterziehung.
DG: Ja, klar. Das ist logisch. (lacht)
DN: Ich denke-. Genau das sehen wir, was gerade so Steuerhinterziehung einfach nicht solidarisch ist und wie man damit konkret der Gesellschaft auch schadet. Ich habe vorhin den gesellschaftlichen Ausgleich angesprochen. Welche Rolle spielt da die Rentenversicherung?
DG: Naja, für mich ist die Rentenversicherung schon sehr, sehr wichtig. Denn sie schafft diesen gesellschaftlichen Ausgleich, unter anderem, durch die Mindestrente. Nämlich für die Leute, auch umgelegt natürlich über Steuermittel dann, die es sich nicht leisten können privat vorzusorgen. Das heißt, eine Erhöhung vom Mindestlohn kann auch dort Abhilfe schaffen. Und würde so diese Umverteilung begünstigen. Ich bin der Meinung, Lohnerhöhungen sind die beste Vorsorge, auch fürs Alter. Und ich denke, aus volkswirtschaftlicher Sicht, soll man sich immer vor Augen halten, dass Sparen immer eben auch Nachfrageausfall bedeutet. Wenn man Einkommen eben nicht für den Konsum aufwendet. Das mag für den Einzelnen gut sein. Wenn ich etwas spare, dann habe ich es auf dem Konto und kann es später ausgeben. Aber wenn alle sparen, ist das für eine gesamte Volkswirtschaft eher problematisch. Weil es eben nicht nachfragewirksam wird und dann wiederum fehlt.
DN: Wobei man auch nicht vergessen darf, dass Lohnerhöhungen und Anhebung des Mindestlohns, immer mit einer Erhöhung der Preise einher geht. Wenn ich als Arbeitgeber mehr Lohn bezahle, gleiche ich das Ganze auch eins zu eins auf die Verkaufspreise auf. Das heißt, die Volkswirtschaft-, also volkswirtschaftlich betrachtet kann auch nicht mehr konsumiert oder gespart werden.
DG: Absolut. Und was den Konsum betrifft. Da vielleicht-. Und da gebe ich dir auch Recht. Wenn Preise und Löhne, quasi, gleichzeitig steigen, dann bleibt am Ende nicht viel über. Aber dadurch, dass die Gewerkschaften immer langsamer verhandeln, mal länger brauchen-. Also schlägt es nicht eins zu eins, quasi, um. Und damit hast du dann real, schon immer, zumindest was für die Löhne auch zum Ausgeben.
DN: Ja, stimmt. Du hast gerade erwähnt, dass Sparen ja der Volkswirtschaft nicht guttut. Was passiert, wenn alle dann das Gegenteil machen, also Konsum ohne Ende?
DG: Für eine Volkswirtschaft als Ganzes wäre das natürlich überragend und gar nicht schlecht. Aber für den Einzelnen ist es eben nicht gut. Denn ich muss mich ja absichern. Ich brauche Rücklagen wenn mein Auto kaputt wird, wenn ich einen neuen Kühlschrank brauche, was auch immer. Ich glaube man muss weiterdenken und sagen: Okay, wenn der Einzelne spart-. Eben, wegen Altersvorsorge, Urlaub, was auch immer. Dann muss ich jemanden finden, der sich in der gleichen Höhe verschuldet. Denn alle können aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht sparen. Oder anders formuliert, wer so ein bisschen betriebswirtschaftlich affin ist-. Wenn der Privatsektor spart, also Unternehmen und Privatpersonen, dann muss ein anderer Sektor-. Und dann gibt es eben nur noch das Ausland oder den Staat, in der gleichen Höhe verschuldet sein. Das ist einfache Buchhaltung. Jeder Forderung steht eine Verbindlichkeit gegenüber.
DN: Okay, ich denke, dass sollte man nochmal kurz erklären. Du hast gesagt, die Vermögen des Einen sind gleichzeitig die Schulden der Anderen. Und auch noch dieser buchhalterische Zusammenhang. Und zwar, wer schon mal von Forderungen und Verbindlichkeiten gehört hat, versteht es sicherlich besser. Wenn der Staat oder Unternehmen Geld erhalten soll, weil ich, zum Beispiel, etwas verkauft habe, dann habe ich offene Forderungen. Also, ich fordere Geld von jemanden anders. Wenn ich dagegen Geld bezahlen muss, dann habe ich eine Verbindlichkeit gegenüber jemanden. Also, mein Vermögen, meine Forderung, sind die Schulden, also Verbindlichkeiten eines anderen.
DG: Richtig. Und ich glaube genau diesen neuen Blick brauchen wir. Der genau diese Thematik auch ein bisschen in den Mittelpunkt rückt. Denn Solidarität-, das fand ich einen sehr interessanten Gedanken, hat immer ein Gegenüber. Und ich muss eben die Konsequenzen meiner Entscheidungen mitdenken. Und wir leben in einer weltweit vernetzen Wirtschaft oder im Wirtschaftssystem. Und ich denke wir müssen uns klar werden, dass eine Entscheidung, die wir jetzt als Einzelner treffen oder dann als ganze Volkswirtschaft, Auswirkungen wiederum auf einen anderen Teil der Volkswirtschaft hat. Und damit ganz konkret andere Personen. Sprich, wie wir das jetzt gerade gesagt haben, die Vermögen des Einen sind gleichzeitig die Schulden der Anderen. Das heißt, es besteht eben immer dieser buchhalterische Zusammenhang, der aus meiner Sicht häufig vergessen wird. Am besten wäre es wenn wir natürlich alle sparen würden. Aber das funktioniert halt einfach nicht.
DN: Ja. Und manchmal macht ja der Konsum auch Spaß.
DG: Ja, dazu abgesehen. (lacht)
DN: Kannst du kurz an einem Beispiel erklären, warum der Staat gerade jetzt Schulden aufnehmen muss? Und was das dann auch noch mit Solidarität zu tun hat.
DG: Also ein Beispiel: Wir haben einen Bauunternehmer, der im Zuge der Corona-Krise wenige Aufträge hat. (DN: Bob, der Baumeister) Bob, der Baumeister, zum Beispiel. Nennen wir ihn Bob, der Baumeister. Dürfen wir das oder ist das dann schon Werbung? Ich weiß es nicht. (lacht) Vielleicht verklagt er uns. Bob, der Baumeister und unser Bauunternehmer hat weniger Einkommen weil er weniger Aufträge hat. Gleichzeitig ist-, sein Einkommen gibt er aber gerne im Biergarten aus. Der Wirt im Biergarten ist auf das Geld des Bauunternehmers angewiesen. Jetzt weil der Bauunternehmer eben nicht mehr zum Bier trinken kommt hat der Wirt ebenfalls ein Problem. Und hat weniger Geld für seinen Konsum, weil er auch weniger Einnahmen hat. Deswegen muss er die Bedienung entlassen, weil ihm die Einnahmen fehlen. Die Bedienung wiederum wollte sich aber gerade einen Kühlschrank kaufen. Diesen Kauf verschiebt sie jetzt, was den Kühlschrankhändler wiederum in Bedrängnis bringt. Und zudem wird die Frau arbeitslos und der Staat muss die Transferleistungen für sie übernehmen. Und wenn man das zu Ende denkt-, das ist so ein kleines, einfaches Beispiel, dann merkt man, dass irgendwann diese gesamte wirtschaftliche Nachfrage einbricht. Das nennt man Deflation. Wenn jetzt aber hingegen der Staat den Bauunternehmer unterstützt und sagt: „Hey, das was dir jetzt an Einkommen fehlt-.“ Kann in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs, eben der auch weiterhin in den Biergarten gehen und die Situation verschärft sich nicht so. Man kann auch sagen, man unterstützt jetzt den Biergarten in dieser Zeit. Das ist eine Frage, wie man da rangeht. Aber gleichzeitig sinken Steuereinnahmen vom Staat. Das heißt, er kann es auch nicht über Steuermittel finanzieren. Das heißt, er kann sich eigentlich bloß verschulden um die Wirtschaft in diesem Maße, sozusagen, dann aufrecht zu erhalten. Voraussetzung dafür-, klar, das Einkommen vom Bauunternehmer muss natürlich auch in den Biergarten fließen. Das sind wir jetzt mal positiv. Alle trinken vielleicht gerne Bier. Das ist schon klar. Wenn das Einkommen wiederum sparen würde, dann wäre der Effekt natürlich gleich Null.
DN: Genau, aber jetzt wo sie offen haben, denke ich, geht auch jeder mal wieder in den Biergarten.
DG: Absolut. Also die Biergartenbesitzer-. Hoffen wir mal, dass die da ein bisschen geschützt sind. Das heißt, Ziel ist es eigentlich über diese höheren Staatsschulden, sozusagen, eine Deflation mit all ihren Auswirkungen zu verhindern. Und so die Vollauslastung der Produktivität-. Und da gehört halt auch der Biergarten dazu. Man glaubt es nicht. Aber auch Dienstleistungen sind produktiv. Eben zu sichern. Und im Zuge der Corona-Krise und der Vernetzung aller Volkswirtschaften auf europäischer Ebene, das wissen wir alle, ist es eben auch für gesamt Europa notwendig.
DN: Ja, ein sehr anschauliches Beispiel zu dem Thema mit dem Bob. Solidarität ist also mehr als die Summe der Einzelentscheidungen und muss eigentlich auch im Ganzen gedacht werden. Wie siehst du es aktuell im Zusammenhang mit der EU?
DG: So wie es dem Bob in Deutschland geht, geht es natürlich auch dem Bobbo in Italien oder El Bobbo in Spanien oder wo auch immer. Es geht in der aktuellen Situation für mich um den Fortbestand der Europäischen Union. Mit all den positiven Aspekten z.B. können wir reisen. Momentan jetzt nicht, aber hoffentlich bald wieder. Es ist auch Völkerverständigung über die ganzen Auslandssemester und so. Die Europäische Union ist auch ein Friedensprojekt. Das läuft für mich in Gefahr, wenn wir jetzt anfangen unsere eigenen Schäfchen so ins Trockene zu bringen und eben nicht solidarisch mit den Nachbarländern zu sein. Ganz konkret sind es für mich vier Punkte. Das eine, wir müssen aus dem Kopf bringen, dass eine Politik der Sparpolitik immer das Beste ist. Das zweite sind gemeinsame europäische Staatsanleihen. Also gemeinsame Schulden, ja. Und damit verbunden die Stützung der gesamteuropäischen Nachfrage. Also alle El Bobbos und Bobs und Bobbos in Europa. Und damit verbunden der größte Wunsch, dass wir das Thema Solidarität und Nachhaltigkeit zusammen denken. Eben mit einem Green New Deal, auch Bereiche anzugucken, die wir jetzt ausbauen könnten. Wenn wir schon staatliche Nachfrage schaffen, dann doch in grüne Energien, ökologische Landwirtschaft. Den Wandel und die Notwendigkeit zu verbinden, ganz praktisch und sinnvoll.
DN: Eben nicht alle Industrien zu unterstützen. Also, wie jetzt zum Beispiel, die Automobilindustrie, auch wenn es natürlich für uns eine sehr wichtige Industrie ist. Aber, da habe ich auch von vielen Bekannten jetzt gehört: Naja warum stecken wir das Geld, das wir jetzt da rein stecken nicht einfach in nachhaltige Energien.
DG: Ja, also das ist tatsächlich auch der spannende Konflikt oder auch die Fragestellung, weil Deutschland halt die Automobilindustrie seit Jahren hofiert. Das muss man so hart und deutlich sagen. Da hängen viele Arbeitsplätze dran, dass sich da keiner wirklich ran traut. Aber das ist eine Frage der Zeit aus meiner Sicht. Welche Industrien unterstützen wir auch?
DN: Ja, naja klar. Wobei man auch sagen muss, einfach, sie ist superwichtig für uns.
DG: Absolut. Das ist ja genau dieser Punkt. Was für den einen gut ist, hat für den nächsten halt wieder Konsequenzen und umgekehrt. Also da ist Solidarität im Großen und Ganzen ganz schwer auch tatsächlich volkswirtschaftlich für alle Betroffenen zu fassen.
DN: Ja, das stimmt. Ja, in den letzten Minuten haben wir uns von der Betriebswirtschaftslehre, das ist so mein Gebiet, zur Volkswirtschaftslehre-, das ist dem David sein Gebiet aus dem Studium, vorgetastet. Und abrunden wollen wir das Ganze nun, indem wir noch die wissenschaftliche Lehre der Religion betrachten.
DG: Uh, ein schöner Wort-. Die wissenschaftliche Lehre der Religion, die Theologie. (lacht)
DN: Ja, habe ich vorhin geguckt. Also Theologie heißt eigentlich die Lehre von Gott, aber die wissenschaftliche Lehre von Gott klingt irgendwie komisch. (DG: Komisch?) Ja genau. David, warum ist es wichtig, trotzdem in der Krise solidarisch zu sein und Geld an die Kirche zu spenden oder Kirchengeld zu bezahlen, oder gerade wegen der Krise?
DG: Das ist ganz spannend, weil jetzt werde ich betriebswirtschaftlich. (lacht) Die Kirche finanziert sich letzten Endes, wie jeder Betrieb, mit Einnahmen. Also anders funktioniert es halt nicht. Und davon bestreitet sie eben Ausgaben. Und ein großer Teil davon, Einnahmen der Kirche sind Kirchensteuereinnahmen, die staatlichen Zuschüsse über die Sozialversicherungen oder die Sozialgesetzgebung und dann Spenden. Und daraus finanzieren wir die verschiedenen Projekte: Kindergärten, Jugendarbeit, Gottesdienste, oder die diakonische Seite, dann eben Beratungsstellen etc... Und ein großer Teil der Ausgaben in der Kirche sind Personalkosten. In manchen Unternehmen sind es Maschinen, weil die eben was produzieren. In der Kirche produziert eigentlich der Mensch das Ergebnis. Und wenn jetzt die Kirchensteuereinnahmen durch die Spenden weg brechen-. Und das wissen wir wirklich nicht wie es da wieder geht auch im Zuge der Krise.
Dann führt es eben langfristig dazu, dass auch die Kirche Menschen entlassen muss. Da gibt es dann Bereiche, die vielleicht schwieriger zu entlassen sind, weil die einen gesellschaftlichen Wert haben. Aber ich denke jetzt gerade an die Beratungsstellen, wie jetzt zum Beispiel, die Obdachlosen, die kirchliche allgemeine Sozialarbeit und auch die Flüchtlingsberatung, die halt nicht so das Standing hat in der Gesellschaft wie jetzt die Arbeit mit Menschen mit Behinderung oder die Kindergärten haben. Irgendwann sind diese dann nicht mehr finanzierbar. Und dann haben wir natürlich ein Problem. Und das wäre aus volkswirtschaftlicher Sicht natürlich auch wieder mega der Nachteil, weil wir dann Leute entlassen müssen, die dann wieder kein Einkommen haben.
DN: Das stimmt. Haben wir als Christen jetzt einen besonderen Auftrag solidarisch zu sein?
DG: Das fand ich ganz spannend. Dieses Wort, besonderer Auftrag. Eigentlich ist aus christlicher Sicht ja gar nichts Besonderes dran. Sondern Solidarität ist als Christ was Selbstverständliches, den Nächsten in den Blick zu nehme. Oder wenn man es auf die Gesellschaft bezieht, wie in Jeremia steht: Suchet der Stadt Bestes. Und doch, fand ich in der Formulierung, wie du es gesagt hast, was ganz Spannendes. Es ist eben nicht mehr selbstverständlich, sondern es ist teilweise schon was Besonderes. Und da ist mir der Satz von der ehemaligen englischen Premierministerin, Maggie Thatcher, eingefallen. Die hat mal gesagt: „Wenn jeder für sich sorgt, dann ist doch eigentlich für alle gesorgt.“ (lacht) Wenn man das mal zu Ende denkt. Ja, klar. Eigentlich logisch. Das ist aber aus meiner Sicht trotzdem verkürzt., dieses man sagt, dazu utilitaristisches Denken. Denn der Einzelne, der Schwache, der nicht für sich sorgen kann, wird aus dem Blick verloren.
DN: Ein bisschen Schade, dass man so einen Satz von so jemanden Mächtiges eigentlich hört und sich viele dann danach richten. Also den Satz, glaube ich, kennt jeder. Vielleicht könntest du uns den Begriff, utilitaristisch, nochmal kurz erklären.
DG: Das ist schon ein halber Zungenspalter, utilitaristisch. Der Gedanke dahinter, dass das Wohl aller höher steht als das einzelne Wohl. Man kann es ganz praktisch machen. Das Thema Herdenimmunität. Also, du sagst, okay gut, wir lassen uns jetzt alle infizieren und dann gehen ein paar Alte halt hops, die eh hopsgehen. Ja, Boris Palmer, Tübingens Ministerpräsident hat das ja-. Nicht Tübingens Ministerpräsident, sondern Tübingens Oberbürgermeister hat gesagt: Ist halt so. Wir schützen gerade Leute, die eh tot sind, in ein paar Wochen. Boris Palmer sagt, dass das aber jetzt nicht der Maßstab sein kann. Denn bei dem Ansatz der Herdenimmunität sind wir schneller wieder können wieder die Volkswirtschaft hochfahren. Im Utilitarismus wird nicht nach Motiven, sondern nach dem Gesamtfolgen einer Gesellschaft entschieden. Auch wenn das für einzelne negative Folgen haben kann.
Anders als bei der christlichen Solidarität. Diese richtet sich immer am „Nächsten“ aus. Deswegen kann das niemals der Maßstab sein die schwachen, Älteren zu Gunsten eines höheren, gesellschaftlicheren Prinzips aufzugeben. Das in aller Kürze Utilitarismus erklärt. In letzter Konsequenz mündet es dann im Denken, dass jeder auf sich schaut. Das war die geistig-politische Wände der sogenannten neoliberalen Umstrukturierung. Du hast vorhin Maggie Thatcher angesprochen. Sie wird ja die eiserne Lady genannt. Sie hat dieses Credo zum politischen Maßstab gemacht, der auch heute noch anhält. Nämlich, dass die Gesellschaft an sich nicht: „There is no such thing than society. Es gibt keine Gesellschaft“, hat sie gesagt. Heute heißt es: „Du kannst alles werden, was du willst und wenn nicht bist du selbst schuld. Dann hast du versagt oder irgendwas falsch gemacht“ Das hat, denke ich, jeder von uns schon gehört. Zum Beispiel in den USA: Vom Tellerwäscher zum Millionär. Aber die Frage ist doch, wenn ich es wirklich nicht schaffe, was ist dann? Weil ich z.B. eine andere Herkunft habe, weil ich vielleicht auch nicht den Bildungsgrad habe, dass ich mich schwer tue mit bestimmten Dingen, eben doch nicht alles werden kann, wie mir suggeriert wird. Dass bestätigen auch Studien, dass der Bildungshintergrund massiv auf den beruflichen Aufstieg oder die beruflichen Bildungschancen Einfluss hat. Was ist dann wenn ich das nicht schaffe? Obwohl mir, doch jeder sagt, dass ich das schaffe. Dann wird gesagt „Bist halt selber schuld. Irgendeinen Grund muss es geben, warum du es nicht geschafft hast.“ Und die Folge, ich bin dann oft abgestempelt und diffamiert und am besten bei Hartz aber herzlich auf RTL II bloßgestellt. Hartz IV und die damit verbundene Umstrukturierung Ent-Solidarisierung mit den Schwachen lassen grüßen. Und gegen dieses Menschenbild, finde ich, sollten Christen solidarisch und entschieden auch widersprechen. Denn wir haben es schon im letzten Podcast gehabt, der Mensch ist eben Selbstzweck, der ist mehr als das was er leisten kann.
DN: Ich versuche mal einen spontanen Ausflug zu dem Thema, was du vorhin gesagt hast mit dem Satz: Es gibt eine Sache wie Gesellschaft nicht. Ich lese gerade ein Buch. Das ist von A.G. Riddle, Genome. Und zwar geht es da auch ein bisschen um die Evolution des Menschen. Und der Mensch ist irgendwann, also so wie wir es heute sehen, aufrecht gegangen und das hat zwei Dinge bewirkt. Das eine ist, dass das Gehirn größer wurde. Und das andere ist, dass der Geburtenkanal kleiner wurde. Und dadurch, dass der Geburtenkanal kleiner wurde, musste sich der Mensch auch anpassen. Deswegen hat der Kopf von Kindern eben offene Stellen noch, um durch diesen kleinen Kanal durchzukommen. Und das ist der Grund, warum wir als Menschen so hilflos geboren werden. Weil wir eben nicht so lange-, nicht so entwickelt sind, wie jetzt zum Beispiel Affenbabys, die einfach einen ganzen Kopf haben. Und dadurch, dass wir ein bis zwei Jahre noch so hilflos sind, sind wir auf unsere Eltern angewiesen. Und dadurch entsteht diese Bindung und durch diese Bindung entsteht dann eigentlich überhaupt dieses gesellschaftliche Leben, also Familien. Und deswegen ist es ganz spannend. Also so haben wir uns entwickelt. Deswegen sind wir so. Deswegen sind wir gesellschaftliche, soziale Wesen. Weil wir darauf angewiesen sind, weil der Geburtenkanal kleiner ist, weil wir aufrecht gehen.
DG: Also, das kann ich durchaus unterstreichen. Also mein Kind hat einen ganzen Kopf, aber ich weiß was du sagen wolltest. Tatsächlich, wir sind soziale Wesen und gleichzeitig biologische Mängelwesen. Also wir sind bei weitem nicht so ausgeprägt wie 99% der Natur-. Nur Affen und tatsächlich auch einige Vögel, bleiben im Verhältnis ihrer Lebensdauer bei ihren Eltern. glaube nicht, dass der Tim mit drei Jahren auszieht. Wir Menschen sind ganz, ganz lange angewiesen u.a. auch auf alle sozialen Kontakte. Und es gab mal das Beispiel von Amala und Kamala. Alle Sozialwissenschaftler kennen das oder die in den sozialen Bereichen unterwegs sind. Also diese Kinder sind von (DN: Wölfen) Wölfen, danke, von Wölfen aufgezogen wurden und man hat dann versucht sie im Nachhinein, als man sie gefunden hat, denen die Sprache zu lernen und auch soziale Interaktion. Und das hat nicht funktioniert. Also das ging nicht. Und die sind dann auch relativ schnell gestorben. Das Alter weiß ich jetzt nicht genau, aber die sind nicht alt geworden. Ich glaube mit zehn oder elf sind die gefunden wurden. Und dann irgendwann sind sie dann relativ schnell auch danach gestorben. Also sie haben schon gelernt, auch aufrechtes Gehen und so. Aber es war nie so, dass die sich in diese Gesellschaft integrieren konnten. Das heißt der Mensch braucht den anderen Menschen. Das ist die biologische Antwort. Vollkommen richtig.
DN: Zurück zum Thema. Also du hast vorhin das Thema Selbstzweck angesprochen und du kannst werden was du willst. In den sozialen Netzwerken und auch im weiteren Freundeskreis hört man viel von sich selbst ernannten Life Coachs, die es angeblich geschafft haben zum perfekten Leben. Und da geht es viel um: Du musst deine Einstellung ändern, du musst dir den Erfolg vorstellen und dann wird es Geld regnen und Zeug wie passives Einkommen und finanzielle Unabhängigkeit. Ja, ich denke auch, dass dieser Trend unsere Gesellschaft nicht verbessert, sondern spaltet. Und jeder einfach noch mehr auf sich schaut. Auch verkauft man, zum Beispiel, dadurch seine Freunde, weil die einfach die ersten Opfer des Selbstoptimierungszwang sind. Also, letztlich geht dieser Trend weg von Solidarität hin eben zum-, zu Egoismus. Was würdest du sagen damit-. Was bedeutet Solidarität als Auftrag für dich?
DG: Das ist ein spannender Gedanke, den du da einbringst. Ich denke, das ist ein Abwägen. Also ich glaube, es schon legitim, auf seine Ressourcen, die ja letzten Endes von Gott geschenkt sind auch irgendwo nutzbar zu machen. Und da ist ein Blick von außen auch sinnvoll. Die Frage ist, ist das das was mich erfüllt?
Was mein ganzes Leben ausmachen sollte? Und auf Kosten von was erlebe ich das? Wie du sagst, auf Kosten von Freunden, von Familie, von-. Also ist es eben ein Wahn oder Zwang, wie du es genannt hast.
Und dann gibt es Solidarität als Auftrag. Was das bedeutet, hat der Theologe Franz Segbers in seinem Buch „Hausordnung der Thora“ mal schön formuliert. Er nennt es Teilhabe-Gerechtigkeit. Das heißt, diese zielt darauf ab, dass alle Mitglieder einer Gesellschaft eben einen elementaren Anspruch auf eine Teilhabe, eine Lebensmöglichkeit in unserer Gesellschaft haben. Ganz praktisch, dass ich überlege, wie ist unsere Gesellschaft gestaltet. Können da Menschen mit Behinderung teilhaben? Inklusion. Können da Menschen anderer Nationen, unterschiedlichen Bildungsgrades teilhaben? Das ist dann nicht nur auf eine Gesellschaft an sich bezogen, sondern die Gesellschaft ist ja immer nur so ein fiktiver Begriff. Sondern, das sind ja einzelne Unternehmen, einzelne Stellen, die Kirchen gefordert. Wie kann Teilhabe konkret gelebt werden? Wie sind die unterschiedlichen Milieus oder wie man es dann nennen will, andere sprechen dann auch von Klassen, vertreten.
Zur Reflexion-. Wenn man sagt, okay, ich schaue mir jetzt einen bestimmten Bereich an und die Gesellschaft als Ganzes, dann kann der kritische Maßstab immer die Option für die Armen sein. Was meint Option für die Armen? Das meint konkret, wie finden diese Menschen in unserer Gesellschaft einen Platz? Das ist der Maßstab, um zu schauen, wie gerecht ist unsere Gesellschaft. Gerechtigkeit stellt dann die Frage was wir Menschen einander schulden.
Ich muss das Beispiel jetzt doch bringen, ich habe es erst weggelassen. Aus dem jüdischen Talmud. Und da geht die Geschichte so, dass ein Armer durch die Straßen läuft und klopft an der Tür. Er sagt dabei nicht kleinlaut und bettelend: „Hey, könnte ich bitte ein paar Almosen von dir haben. Ich bin so arm“ Nein, der Man klopft, selbstbewusst und klar an der Tür und formuliert seinen Rechtsanspruch „Gib mir das, was mir zusteht.“ Jetzt kann man sagen, krass, was fällt dem ein. Aber es geht um ein Gedankenexperiment: Es geht nicht darum, dass wir den Schwachen der Gesellschaft „Almosen“ oder „Spenden“ gönnerhaft hinwerfen. Sondern dass jeder Mensch einen Anspruch auf ein würdevolles Leben hat, einen Rechtsanspruch. Und das, finde ich, ist so eine Denkfrage was Solidarität auch betrifft. Jedem stehen die gleiche Teilhalbe an der Gesellschaft zu. Wie auch immer es dann verteilt wird. Vielleicht nicht über das Privateigentum, das ist schon klar. Dass keiner einfach bei jemand anderes klingen kann und dann sagt, Hey, pass auf, das steht mir zu, es geht um den Gedanken dahinter. Wie gerecht ist unser gesellschaftliches System? Richtet es sich an den Schwächsten aus? Diesen Gedanken zu stärken das, glaube ich und diese Frage zu stellen, eben diesen theologischen Begriff von Solidarität in den Diskurs zu bringen, das ist mein Auftrag. Eben da auch den Mund aufzumachen. Wo auch immer das dann ist, bei Politikern, oder wie auch immer.
DN: Und welches Beispiel zu Solidarität gibt es in der Bibel?
DG: Habe ich auch lange überlegt. Es gibt viele Beispiele in der Bibel. Aber ich wollte jetzt nicht wieder die klassischen nehmen mit den barmherzigen Samariter, die man im Religionsunterricht schon gehabt hat. Und das hat so einen Bart. Für mich drückt es sich im Markus Evangelium aus. Und da fragt Jesus den Blinden von Jericho: „Was willst du, dass ich für dich tun soll?“ Und ich, klar, der will wieder sehen. Aber trotzdem fragt er ihn und für mich drückt dieser Satz eine Haltung aus. Denn Solidarität hat, wie bereits erwähnt, ein Gegenüber. Und da schließt sich der Kreis zur bedingungslosen Option mit den Armen wieder: Wenn ich das Gegenüber auch ernst nehme, dann entscheide ich nicht irgendwie von oben herab oder das was ich glaube. Dann schmeiße ich nicht einfach Almosen zu. Oder schmeiße ihm Geld hin. Oder tu so überheblich. Sondern ich frage ihn erstmal, was braucht er. Und das spannende ist, oftmals ist es vielleicht gar kein Geld, sondern das kann ein gutes Wort sein. Es kann vielleicht einfach auch Zeit verbringen sein. Irgendwas auch immer. Aber ich nimm mein Gegenüber mit rein und suche mit ihm diese Lösungsmöglichkeiten. Und wäge dann eben beide Sichtweisen ab und sage: „Hey, das ist deine Sichtweise. Das ist das was du dir wünschst. Das ist das was ich geben kann. Und jetzt such du dir aus, nicht ich, was du von den beiden Lösungsmöglichkeiten anstreben willst.“ Für mich ist die Solidarität eben zu fragen: „Hey, was brauchst du? Was soll ich dir tun?“
DN: Okay, ja ist ein gutes Beispiel und gilt einfach auch als Wegweiser für unser Verhalten. Danke fürs reinhören an der Stelle. In der Beschreibung des Podcasts haben wir ein paar Dinge verlinkt. Tiefere Erklärungen, zum Beispiel, volkswirtschaftlicher Natur oder auch Talmud, wie gerade angesprochen. Einfach für die Leute, die sich näher mit dem Thema auch beschäftigen wollen. Außerdem steht der Link zum Projekt Gartenrenovierung im Gemeindehaus Heuchling dabei. Schaut mal rein! Und wenn ihr Lust habt, spendet auch ein bisschen dafür. Dann Tschüss (DG: Tschüss, bis Bald. Ciao.) Bis Bald. Tschüss.
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