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#5 Vergebung

Wie vergibst du deinen Mitmenschen? Wie ist Vergebung im Wirtschaftsleben zu verstehen.

Was macht das Kreuz zum Ort der Vergebung und wie kann man diese Aufforderung verstehen? Also was muss ich nun wirklich tun, um Vergebung zu erhalten.




 

DG: David Geitner

DN: David Naßler



DN: Herzlich willkommen zum fünften Podcast mittlerweile, schon ziemlich krass. Also wir haben im Februar, März, April angefangen und jetzt schon der fünfte Podcast. Ja, heute geht es um das Thema Vergebung. Und Vergebung setzt ja voraus, dass man zuvor Schuld aufgeladen hat oder jemandem was Unrechtes getan hat. David, wenn du was gemacht hast, was dir leid tut, sagst du dann eher irgendwie: „Entschuldigung, sorry, verzeih mir, es tut mir leid, bitte vergib mir“ oder „Ich entschuldige mich“? Und vor allem, was hältst du auch davon, weil, letztlich, wenn ich sage: „Ich entschuldige mich“, ja, nehme ich ja Schuld weg von mir und es ist ja eher so ein „Ich bitte dich um Entschuldigung“, aber erst mal so, ja, wie sagst du das?


DG: Ich fand es ganz spannend, weil es wirklich eine gute Frage ist und ich finde, das variiert von Mal zu Mal. Ich denke, der Aspekt für mich, was wichtig ist, ist, dass ich es aufrichtig, dass ich ehrlich und dass ich es von tiefem Herzen ernst meine. Das ist das Zentrale. Und die Worte sind dabei, ja, zwei, drei, sekundär. Und der Gedanke, den du jetzt geschildert hast, dass ich hierdurch meine Schuld selber von mir nehme mit den Worten „Es tut mir leid“, den finde ich tatsächlich schon spannend. Denn mit einem einfachen Satz „Sorry“ ist eben nicht getan. Und ich finde, dass neben der Entschuldigung auch so eine aktive Annahme der Entschuldigung gehört. Und erst, wenn das Gegenüber, also der andere sagt: „Hey, ich vergebe dir, ist nicht so schlimm, komm, ich verzeihe dir“, dann geschieht eben Vergebung. Das heißt, dann nimmt dir dein Gegenüber die Schuld ab.


DN: Ja, und eben nicht von sich selber das schaffen, okay. Wie vergibst du jemandem, der dir wehgetan hat oder dich beleidigt hat? Ja, oder auch, wenn die Person sich nicht bei dir entschuldigt hat?


DG: Da müssten wir jetzt erst mal meine Frau, Freunde und Bekannten fragen. Also ich würde von mir aus sagen, dass ich nicht unbedingt nachtragend bin. Ich bin zwar klar, manchmal auch direkt, bin auch kurz beleidigt oder vielleicht auch ein bisschen eingeschnappt. Da kommt dann das Mädchen in mir durch. Also ich kann eine ziemliche Zicke manchmal auch sein. Aber lang hält das nicht an. Wenn es mal ausgesprochen ist, dann passt das auch für mich. Aber wenn jemand permanent, wirklich destruktiv und so vernichtend-, es gibt also Leute, die wirklich alles kaputtmachen wollen, dann merke ich auch, dann kann ich auch anders. Dann kann ich mal deutlich werden und denjenigen gezielt, also ohne ihn persönlich niederzumachen, aber dann schon so in die Schranken weisen. Aber das Zentrale bleibt: Wenn jemand herkommt und jetzt wirklich aufrichtig, ehrlich und von Herzen sagt: „Sorry“ und sich entschuldigen will, dann nehme ich das meistens zumindest oder hoffe ich, auch an. Wie streitest du, kannst du leicht Streit beilegen, kannst du leicht vergeben?


DN: Also nochmal zu deinen Beispielen, du sagst eben, wenn jemand wirklich aufrichtig kommt, ich finde, das gibt es irgendwie zu selten. Ich habe das natürlich schon oft erlebt, aber es gibt immer wieder die gleichen Leute, wo ich mir denke: Ey, komm, entschuldige dich doch einfach mal aufrichtig, das wäre einfach mal schön.


DG: Ja und vor allem ist es dann anders. Also das ist ja auch was anderes. Wenn es dann einer vielleicht ein bisschen ernst meint, dann ist die zweite Frage: Meint er es auch so? Wie streitest du?


DN: Wie streite ich? Also ich streite tatsächlich eher nüchtern. Das ist was, was mich-, was meine Freundin teilweise wirklich auf die Palme bringt. Ja, ich bleibe einfach nüchtern, ich gehe jetzt nicht so krass aus mir raus und bin dann total wütend und brülle rum und sowas. Aber ich bin natürlich auch aufgewühlt innerlich. Aber es kommt eigentlich auch immer darauf an, um was es geht. Also wenn es so Kleinigkeiten sind, dann sind die natürlich schnell vergeben, bei großen Themen oder schweren Streits knabbere ich schon natürlich enger daran rum.


DG: Gibt es so eine Situation, wo du sagst, da hast du dich bei jemandem entschuldigt oder bei dir hat sich jemand entschuldigt oder hat dir vergeben? Und was war das für dich so ein Gefühl?


DN: Also das Beispiel, das ich jetzt nenne, ist sehr persönlich. Ich hoffe, dass mein Bruder, wenn er zuhört, das mir auch verzeiht. Aber ich denke, das ist ein sehr gutes Beispiel, aber auch ein schönes Beispiel, wenn man so das Ende dann davon betrachtet. Und zwar, also der letzte große Streit, an den ich mich erinnern kann, der war zwischen mir und meinem Bruder. Wir haben zusammen gewohnt und dann so gegen Ende hin wurde einfach auch vieles irgendwo angespannter. Und die Wohnung für zwei Personen, genau, ja, die wurde einfach halt mit vier Leuten irgendwann zu klein. Und dann ist einfach irgendwann mal eskaliert und wir haben bestimmt eine Woche nicht miteinander gesprochen.

Und ich bin dann auch frühzeitig einfach ausgezogen, ja, also bin dann wieder zu meinen Eltern. Ja, der Plan war eh, dass wir die WG auflösen, weil er quasi dann unterwegs war. Und ich dachte mir, mich hält jetzt eigentlich nichts mehr hier. Ich hatte keine Lust mehr und bin dann auch wirklich aufgrund des Streits ausgezogen. Und nach einer Woche hat dann mein Bruder mir noch geschrieben und meinte: „ Hey, lass uns doch mal wieder treffen, einfach mal darüber reden.“ Ja, also das fand ich auch wirklich ganz, ganz stark von ihm, zu sagen: „Also wer macht den ersten Schritt? Irgendeiner muss den machen.“ Und den hat er an der Stelle getan. Und wir haben dann wirklich lange uns unterhalten und es war sehr wertvoll und sehr emotional auch, dieses Gespräch. Und warum erzähle ich das Beispiel, weil es wirklich sehr, sehr gut war. Heute ist alles wieder früher eigentlich, vielleicht sogar besser, weil es ein bisschen tiefer ist, weil man zusammen schon mal durch dieses Tal gegangen ist. Und wir wissen, dass auch das unsere Freundschaft oder unsere Bruderschaft, wenn man das vielleicht so nennen kann, auch nicht trennen kann-.


DG: Also den Punkt der Vergebung dann so eine Art Befreiung? Also in eurem Fall dann auch die Erkenntnis, dass der Streit zwar erst mal trennt, aber dass Vergebung verbindend und dann so ein stärkeres Band noch sein kann. Mir geht es da auch nicht anders. Je öfters man streitet, finde ich, desto mehr rückt man dann zusammen, wenn man sich wieder verträgt, natürlich. Wenn nicht, dann nicht. Aber ich finde, jeder Streit, wenn man sich versöhnt, wenn man vergibt, dann bringt es einen näher zusammen.


DN: Ja, das ist ganz wichtig, weil man hört schon immer wieder von Familienstreits. Und ich dachte mir vorher immer: Herr, das ist-, wie geht sowas? Und ich habe das jetzt dann eben erfahren und habe eben erfahren: Okay, das passiert einfach. Aber die Frage ist wirklich immer: Wie gehe ich damit um und wenn ich vergebe, wenn ich von mir aus diesen Schritt tue, ist natürlich auch immer ein Stück-.


DG: Du lässt die Maske fallen.


DN: Die Deckung aufgeben.


DG: du musst dich halt dahinstellen und sagen: „Ich habe Scheiße gebaut.“ Das ist der Punkt, ja. Thema Scheiße bauen, das soll es ja auch in Unternehmen geben, habe ich gehört. Ich arbeite in der Kirche, da gibt es sowas nicht. Wie gehst du im Unternehmen als Teamleiter mit Fehlern um?



DN: Also mal erst mal ganz allgemein, wie gehen wir in der Firma mit Fehlern um? Einer der fünf Werte im Unternehmen ist Fehler- und Lernkultur. Und ich möchte ganz kurz einen Part vorlesen, den ich geschrieben habe im Werte-Newsletter im Juli 2019: Fehlerfreie Programme gibt es nicht. Softwareentwicklung und deren Individualisierung in Kundenprojekten ist von Haus aus geprägt von Bugs, also Bugs sind Fehler, ausgelöst durch Fehler im Programm, vom Entwickler oder durch die Anwendung des Kunden oder natürlich auch durch uns selbst. Weil wir bei I* von Softwareentwicklung und deren Individualisierung beziehungsweise Programmierung und Scripting leben, fließt bereits eine gesunde Fehler- und ja, Lern- oder Fehler- und Toleranzkultur in unserem Blut. Wichtig ist auch, dies nicht nur auf die Arbeit in Bezug auf Software zu beschränken, sondern auch alle Unternehmensbereiche und Tätigkeiten. Dabei geht es nicht um das Darüber-Hinwegsehen von Fehlern, sondern genau das Gegenteil, das, ja, wertschätzende Ansprechen auf den Fehler und dann das konstruktive Feedback beziehungsweise die Unterstützung. Was war falsch und wie können wir es besser machen? Und wie stellen wir auch dann, ja, den Lerneffekt-.


DG: Das ist jetzt ziemlich cool. Wie stellen wir den Lerneffekt sicher? Also quasi sagen: Du kannst Fehler machen, aber bitte nur ein Mal, nicht fünf Mal. Also das finde ich ziemlich cool, wie kann man auch vereinbaren, dass dieser Lerneffekt dann auch eintritt? Das finde ich tatsächlich ziemlich cool. Aber das hört sich hier mir jetzt alles wunderschön an, aber jetzt mal Hand aufs Herz: Was macht dich fuchsig als Chef?


DN: Ja, da gibt es natürlich ein paar Sachen. Also was mich wirklich aufregt, ist, wenn man was falsch macht und dann hinterher nicht den Fehler irgendwie einsehen will, sondern dann, keine Ahnung, bei jemand anders sucht. Also bei einer externen Firma: Ja, ich habe es nicht falsch gemacht, sondern das war bestimmt bei denen.


DG: Der Auftraggeber war es oder wer auch immer.


DN: Also wenn es einfach klar ist und man einfach nicht, dann, keine Ahnung, den Mut hat, zu sagen: „Okay, das war echt mein Fehler, das tut mir leid. Und da entschuldige ich mich“, nein, „Da bitte ich dich um Entschuldigung“. Gelernt, genau. Und halt nicht zu sagen: „Ja, das war bestimmt der oder der oder wie auch immer.“ Ja, und was mich auch wirklich aufregt ist, wenn die Leute einfach nicht miteinander reden. Ich sehe mich wirklich oft als Vermittler zwischen verschiedenen Parteien, weil die manchmal einfach halt, keine Ahnung, keine Lust haben oder weiß ich nicht. Genau. Und das ist auch echt anstrengend.

Und was mich auch aufregt, ist, wenn die Leute einfach was machen, ohne darüber zu reden und einen dann vor vollendete Tatsachen stellen. So: „Hier, fertig.“ „Ja, danke.“ Muss aber auch sagen, dass ich das auch tue.


DG: Ich kann an das Gartenprojekt erinnern, das kommt mir gerade, als ich dann eine WhatsApp bekommen habe: David wir machen jetzt den Garten neu. Hier der Kostenplan. Morgen geht es los. war aber nicht schlimm, war ja was Positives.


DN: Ja, aber, also natürlich mache ich das auch manchmal, um vielleicht auch zu provozieren oder einfach, weil man weiterkommen will. Aber genauso regt es mich natürlich auch auf der anderen Seite auf, von daher-.


DG: Es kommt darauf an vielleicht, was man auch macht. Wenn es was Positives ist, ist man begeistert. Innovation ist ja nichts Schlechtes.


DN: Ja, aber auch dann, wenn es positiv ist, wenn du ein fertiges Produkt hast und sagst: „So, hier, Vertrieb, verkauf mal“, dann sagt der auch so: „Ja, danke, ich hätte vielleicht auch gerne mitgeredet.“


DG: Ja, okay, das stimmt. Ich meine, Vergebung und Ökonomie, für mich passt es irgendwie nicht wirklich zusammen, weil es ja doch darum geht, eigentlich in der freien Wirtschaft, dass eigentlich Konkurrenz herrscht. Und Konkurrenz letzten Endes lebt vom Fehler des anderen. Gibt es trotzdem vielleicht so einen Gedanken, wie Vergebung in der Ökonomie aussehen könnte? Ich habe lange überlegt, also ich finde es wirklich schwierig in der Marktwirtschaft.


DN: Also erst mal, ja, wie ist das? Also letztlich ist es superwichtig, dass Fehler passieren, also dass andere Unternehmen Fehler machen, weil, sonst würde zum Beispiel ein Kunde nicht zu uns wechseln. Aber genauso gut kann natürlich sein, dass wir einen Fehler machen und der Kunde dann abwandert von uns. Es ist auch wirklich viel Schadenfreude unterwegs. Man freut sich schon, wenn, keine Ahnung, die Firma, ja, einfach einen Scheiß gebaut hat und wir dann halt reinspringen können in die Bresche. Also das ist leider auch so, aber das ist auch wichtig für das Unternehmen, für diese Bewegung dann auch.


DG: Sonst hätte man ja keine Motivation. Also man muss eine andere Motivation im Wirtschaftsleben haben, also sozusagen nur zu wachsen, und das passiert halt eben auch mit Fehlern.


DN: Letztlich machen wir natürlich auch viele Fehler. Wir haben schlechtes Projektmanagement oder eine schlechte Kommunikation, würde ich mal als Hauptgrund nennen, dass wir Fehler machen. Und dann Kunden zu verlieren, ja.

Und du hast gefragt, wie es so, wie es aussehen könnte. Da ist so einer bei uns in der Firma, der sagt immer wieder: „Leben und leben lassen“. Und so ist es auch wirklich. Also klar, man kann dann darauf rumreiten, aber man kann auch einfach mal sagen: „Okay, das lassen wir jetzt mal und wir lassen einfach leben, weil irgendwann wollen wir auch mal leben gelassen werden.“ Ist auch mal ganz wichtig.


DG: Da kam mir eine ganz spannende Sache, nämlich die Frage auf: Was sind die Mittel? Ich schaue gerade GZSZ, vielleicht schauen es ein paar andere. Und wer geht GZSZ schaut, Felix und Katrin, ja, also welche Werte vertrete ich denn auch? Also sie hat dann quasi ihm zuerst vorgeworfen, dass er gewiss seine Azubine quasi sexuell belästigt hätte, daraufhin musste er seine Anteile verkaufen. Jetzt hat er quasi mit niedrigsten Motiven von ganz früher eine Geschichte ausgegraben, wo sie betrunken Auto gefahren ist, um sie zu zerstören. Also das ist halt die Frage: Mit welchen Mitteln arbeite ich? Du sagst: „Also leben und leben lassen“, von beiden Seiten.


DN: Ja, also das ist wirklich ganz schlimm, dass dann immer die alten Geschichten ausgegraben werden. Und da finde ich einfach, wenn die Menschen ein bisschen mehr Nächstenliebe zeigen würden, dann wäre die Welt echt eine bessere.


DG: Stichwort Vergebung, hat ja irgendwie, auch mit Gnade, vom Lateinischen „gratia“, also umsonst, etwas geschenkt bekommen zu tun. Wie geht es dir persönlich mit dem Glauben und wie geht es dir damit, dass Gott uns Vergebung schenkt?


DN: Also als du mir die Frage gestellt hast, also wir machen uns ja vorher schriftlich Gedanken, dass da kein Schmarrn rauskommt, habe ich mich wirklich schwer getan mit der Frage. Ich will da gar nicht fromm klingen, ich tue mich einfach schwer, weil, es ist so wenig greifbar ist. Und zwar Vergebung zwischen Menschen hat immer was mit Gesten oder mit einer Kommunikation zu tun. Ich vergebe dir und man entschuldigt sich, umarmt sich, gibt sich die Hand. Und zwischen Gott und mir ist das Verhältnis ja eher ein anderes, ist ja irgendwo so auf der emotionalen Ebene, im Gebet, aber auch im Gefühl irgendwo. Und wenn ich um Vergebung bitte für Sünden, dann gibt es kein klärendes Gespräch-.


DG: Spannend, das kommt mir jetzt gerade, weil die Katholiken sozusagen, die haben das ja. Also da gehst du ja zur Beichte.


DN: Das stimmt, da hast du ja ein Gegenüber-.



DG: Und tatsächlich hat sich mir noch nie so wirklich erschlossen, warum man das jetzt sozusagen vor dem Menschen bekennt, aber aufgrund von dem, was du jetzt sagst, ist es vielleicht doch auch was Positives, wenn dann wer dazwischensteht, dem ich es wirklich und leibhaftig erzählen kann, stellvertretend für Gott.


DN: Ja, also das fehlt einfach irgendwie an der Stelle, dieses klärende Gespräch, ja. Und dass jemand direkt antwortet und sagt: „So und so viele Ave Maria, weiß nicht, also ich war noch nie in der katholischen Beichte, ja. Und ja, Jesus sagt ja auch, dass er die Sünden von vornherein auf sich genommen hat mit dem Gang ans Kreuz und uns frei gemacht hat, damit wir dann letztlich vor Gott treten können. Aber ich finde es schwierig, weil, werden mir dann meine Sünden sofort nach dem Begehen vergeben oder kann ich gar keine Sünden begehen? Also das ist so das, wo ich sage-.


DG: Also ich denke, nach dem Begehen direkt ist schwer. Das hatten wir auch schon, dass das dazugehört. Ich glaube, es gehört auch das Bereuen dazu. Es kommt darauf an, wie gesagt, dass ich Vergebung erfahren möchte. Also dass es ein Gegenüber auch gibt, das sagt: „Okay, hey ich geh zu“ und ich sage: „Hey, es tut mir wirklich leid.“ Und ich finde, das lernen wir den Konfis immer, da gibt es eine Einheit und es gibt drei so Dinge, wie man mit Schuld und Fehlern umgehen kann. Das eine ist beschönigen, da kleben sie dann so Blumen drauf auf so eine Schuld, das ist ja so eine große Kugel. Das zweite ist, jemand anderes die Schuld geben, da schmeißen sie wem anders zu oder schieben es weg. Und das andere ist, sie kleinreden, da drücken sie so oben drauf, diese Person und versucht, sie eben klein zu machen. Und das sind so Strategien, wie ich menschlich, wie ich persönlich mit diesen Situationen umgehen kann. Aber Vergebung erfahre ich dabei nicht. Weil Vergebung ist eben die Reaktion des Gegenübers, damit es auch wirklich vollzogen wird.


DN: Und die ist ja immer noch da. Also alle drei Sachen, die du genannt hast, die ist entweder überdeckt, woanders oder kleiner. Aber sie ist noch da.


DG: Und tatsächlich, finde ich, auch das ist so ein bisschen so ein Gedanke, wenn man den christlichen Glauben hat, ja, jetzt werden unsere Sünden gestanden: Vergebung und Konsequenzen hängen trotzdem zusammen. Fehlverhalten muss zumindest in dem weltlichen System eine Reaktion haben. Das gehört auch dazu, dass wir zusammen leben können. Und ich glaube auch, dass es in der Welt Dinge gibt, die wir als Menschen nicht oder auch nur schwer vergeben können. Ich denke, Gewalt an Kindern, wenn jetzt meinem Timmy was angetan werden würde, wüsste ich nicht, ob ich sagen würde: „Ich vergebe dir“. Oder auch sexuelle Gewalt, wenn wer anders die wirklich schlimmste Schmerzen oder dein Leben eigentlich zerstört, das ist nicht so einfach, dann zu sagen: „Hey, ich vergebe dir.“ Und ich glaube, das muss es auch nicht, weil, ich finde, menschliche Vergebung ist nicht erzwingbar. Ich selbst versuche mein Bestes. Natürlich eine Chance zu geben, zu vergeben, Jesus hat einmal auf die Frage geantwortet, wie oft wir unserem Bruder vergeben wollen: 70 mal sieben Mal, also symbolisch immer. Im Alltag ist es gar nicht so einfach und oft scheitert man daran. Und dann wiederum weiß ich, dass ich auch gar nicht alles perfekt machen muss, sondern, wie du gesagt hast, dass ich auch Vergebung angewiesen bin. Und mich macht das ein bisschen demütig auch.


DN: Ja, cool. Zum Thema Vergebung gibt es einen Song von Danny Plett, der heißt: Komm hin zum Kreuz. Und da ist halt eben ein Satz, der heißt: Komm hin zum Kreuz, dem Ort der Vergebung. Was macht das Kreuz zum Ort der Vergebung eigentlich und wie kann man dann diese Aufforderung verstehen? Also was muss ich dann wirklich tun, um diese Vergebung zu erhalten?


DG: Im Menschen Jesus Christus erkennen wir das Wesen Gottes. Wir erkennen, dass Gott die Liebe ist. Wir erkennen im Kreuz auch, dass Gott die Welt durch diese Liebe und eben nicht durch den Einsatz von Gewalt erlöst hat. Und im Menschen Jesus zeigt uns Gott unsere wahre, von Gott vorgegebene Bestimmung auf der Welt. Das, was ich immer gern sage: Anzulieben in und gegen diese Welt. Wir sind, die Liebesverwalter Gottes in seiner Schöpfung und sollen diese weitergeben. Und auf der anderen Seite sehen wir aber im Kreuz die ganz hässliche Fratze von uns Menschen. Da sehen wir Gewalt, da sehen wir Hass. Auf Golgatha, wo das Kreuzesgeschehen passiert ist, da sieht man, zu welchen Taten wir Menschen fähig sein können und wie weit wir manchmal von unserer von Gott vorgegebenen Bestimmung weg sind. Theodor W. Adorno, ein großer Philosoph, hat mal formuliert: Jeglicher Glaube an die Verwirklichung von Humanität und Vernunft in der Geschichte sei seit Auschwitz auf dem Müll. Das Kreuz also auch als Spiegel menschlicher Abgründe, so eine Auflehnung gegen das Liebesangebot Gottes. Das Kreuz zeigt uns: Gott will uns lieben, er will, dass wir zu ihm gehören und gleichzeitig zeigt es zu was wir Menschen fähig sind. Das Kreuz ist so ein Ort der Ambivalenz zwischen unserer ursprünglichen Bestimmung und den gleichzeitigen Abgründen menschlichen Daseins.


DN: Okay. Im Glaubensbekenntnis bekennen wir letztlich ja auch, dass Christus dann der Richter ist. Also „Wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“


DG: Genau. Und das ist ja das Spannende. Wenn wir im Glaubensbekenntnis bekennen, dass wir an Christus als den Richter glauben, dann kann eben dieser Richter nicht nach einem anderen Maßstab urteilen, als der irdische Jesus in seinem Leben und Wirken getan hat, nämlich in Liebe und Vergebung.

Evangelien sind voll von Heilungsgeschichten, die daraus bestehen, dass Jesus die Menschen aufrichtet, sie befreit hat von Dämonen, von Krankheiten, von was auch immer. Und diese Geschichten stehen symbolisch oder in der Theologie sagt man fragmentarisch für das, was Gott mal mit uns tut und was er irgendwann vollenden wird. Er wird auch uns aufrichten und wir kennen das vielleicht: Wir sind verkrümmt von unguten, von negativen, von bösen Gedanken, das kann dich zerfressen. Oder Schuld, die einen niederdrückt. Oder auch die Selbstzerfleischung, bin ich gut genug? Und dann will Gott uns aufrichten und das Kreuz zeigt, dass die Macht der Unterdrückung und der Sünde eben nicht das letzte Wort hat. Sondern dass Gott uns aufrichten und dass er uns gerade machen will. Und das finde ich was sehr, sehr Schönes, dass am Kreuz sich zeigt, dass keine noch so abgrundtief böse Tat uns von der Liebe Gottes scheiden kann. Jesus sagt sogar noch zu den Räubern, die am Kreuz neben ihm hängen, das ist eine schöne Geschichte im Lukas-Evangelium, dass sie mit ihm ins Paradies kommen: Das Kreuz war ja ein Ort, wo die schlimmsten Verbrecher der Verbrecher niedergerungen und getötet wurden. Und er sagt zu denen: „Wahrlich, ich sage dir, heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Ich finde, das ist Vergebung, die symbolisch und tatsächlich am Kreuz ihre Vollendung findet.


DN: Ja, schöne Zusage. Aber du hast mir die Frage noch nicht beantwortet: Was muss ich für dich tun, um Vergebung zu erhalten?


DG: Da ist bei den Theologen ganz oft, sie reden ein bisschen außen rum. Dann versuche ich es nochmal. Also ich glaube, ganz einfach glauben. Ich denke, der Bibel verdanken wir die Vorstellung einer zielgerichteten Geschichte, die nicht irgendwann endet, sondern wo ein Ziel, ein Sinn und irgendwo ein Zweck auch mitschwingt. Für alle, die Griechisch hatten, Telos verstanden als Ziel und Zweck, also es ist was, woran wir-, worauf wir hinarbeiten, etwas dass wir wissen. Und in der Neuzeit glauben, und da nehme ich auch uns Christen nicht mit aus, wir Menschen oft daran, dass wir uns selbst aus unserer Unmündigkeit befreien müssen. Oder dass wir die Verwandlung der Welt in das Reich Gottes irgendwie selber bewerkstelligen müssen. Und wir streichen diese Komponente Gott als derjenige, der am Ende, der das Ziel, der Zweck ist, eigentlich heraus. Und das, muss ich tatsächlich auch sagen, eben wie gerade schon gesagt, die großen Kirchen auch, die dann nur noch so Sozialethik, ohne irgendwo zu sagen: „Hey, warum das Ganze? Wer ist dieser Gott?“

Wenn sich aber Gott, im Leben Jesu offenbart, und für mich der Maßstab meines Handelns ist, dann zwingt mich dieser Maßstab immer in Selbstkritik. Dann sehe ich doch erst mit der, sage jetzt mal, Jesus-Brille, auf mein Leben und merke, wo ich überall scheitere. Dann sehe ich doch genau da, was dem Willen Gottes oder anders gesagt, was meiner von Gott gedachten Bestimmung widerspricht.

Und es geht nicht darum, dass ich mich geißeln lasse, aber wenn ich das weiß, dann wird das zu einer Haltung: Ich werde nie zu 100 Prozent immer meiner Bestimmung folgen, aber ich muss es auch nicht. Das ist eigentlich Buße. Und wenn ich das weiß und wirklich als Haltung annehme, dann verändert es mich und mein Leben, weil, das macht mich demütig.


DN: Okay, aber wenn ich dann auch immer so das Negative an dir sehe und was ich alles nicht kann, daran kann ich ja auch wirklich dann verzweifeln.


DG: Das Coole ist, genau deswegen haben wir das Kreuz, dass eben genau das nicht passiert. Deswegen sind wir eben nicht nur Sünder, sondern Sünder und gerechtfertigt sogleich, wie es Martin Luther mal geschrieben hat. Das Evangelium sagt uns in der Person Jesu, dass Gott uns nicht ansieht, wie wir faktisch sind und eben nicht sieht, was wir falsch machen, sondern in Jesus zeigt Gott uns, wie wir eigentlich sind und in Wahrheit gedacht sind. Gott hat uns als denjenigen bestimmt, wir sind Ebenbilder, wir sollen die Krone seiner Schöpfung sein. Und mit diesen Augen sieht uns Gott als seine Geschöpfe an. Und gleichzeitig weiß Gott, zu was die Menschen alles fähig sind und wie oft wir an unserer Bestimmung scheitern. Er weiß um die menschliche Schuld im Großen wie im Kleinen. Und Kreuz auf Golgatha, in den Gaskammern von Auschwitz, in den Flüchtlingslagern Lesbos. Da zeigt sich, wie oft wir an unserer Bestimmung auch vorbeileben. Und Gott weiß aber auch bei uns ganz persönlich um die Mächte und Gewalten, die uns, unsere wirkliche Freiheit, unser selbstbestimmtes Leben rauben. Er weiß um den Druck von den sozialen Medien, die eine Erfahrung erst zu einer Erfahrung machen, wenn sie geliked, beurteilt oder gefollowed wird. Ich finde, das ist so ein bisschen wie im Circus Maximus, wo entweder der Daumen des Kaisers hochgeht und dann wurde über Gnade oder Verdammnis entschieden. Und das Paradoxe an diesem Medium ist ja, das finde ich so krass bei Instagram, bei Facebook, also ich will das gar nicht verteufeln, das darf auch alles sein, aber sie versprechen uns scheinbare Freiheit und Selbstbestimmung und ködern uns damit. Aber gleichzeitig ist so ein sozialer Druck da, völlig unfrei, das beste Foto zu schießen oder-.


DN: Ja, und dahinter ist ja auch meistens was ganz anderes, wenn man dann so die Behind The Scenes von Instagram sieht, wie bescheuert das dann teilweise ist-.


DG: Ja, also das darf auch sein, ich will das gar nicht, wie gesagt, gar nicht schlechtreden. Aber sobald es zum Druck wird, und das ist, glaube ich, tatsächlich in vielen Bereichen so, da können wir getrost aufs Kreuz schauen, weil Jesus, in Jesus zeigt uns Gott, dass es ihm nicht darauf ankommt, dass wir möglichst schön, bedeutsam, konkurrenzfähig genug sind, um bei anderen zu bestehen. Dass es nicht auf die Follower oder Likes ankommt und wie gesagt, das darf uns schmeicheln und das schmeichelt auch mir, wenn natürlich da irgendwo ein Like und „Oh, ich finde das toll“-. Aber Gott ist die endzeitliche Liebesmacht, so sage ich immer, in die wir uns hineinfallen lassen und uns aufgehoben fühlen dürfen. Genau so, wie wir sind, ohne Punkt, ohne Komma, ohne Likes und mit all unseren Schwächen. Und daran soll ich glauben und ich bin ehrlich, ich sage jetzt ganz persönlich: Daran muss ich glauben. Dass ich als faktischer Sünder mit all meinen Schwächen gleichzeitig auf Hoffnung hin, weil, wissen tue ich es nicht-. Keiner von uns weiß, was nach dem Tod passiert. Dass ich halt trotzdem hoffe, in den Augen Gottes gerecht zu sein. Dass wir am Ende und eines Tages unserer eigentlichen Gestalt und Bestimmung zugeführt werden und dass es kein Gericht gibt, sondern ein Richtfest geben wird, in die die Schöpfung, der neue Himmel, neue Erde, so, wie es ja auch in der Bibel steht, so richtig ist, dass sie gut ist. Weil Gott alles in allem in ihr selber eben wohnt und ganz symbolisch feiern wir das an Weihnachten und Advent. Dass Gott als das Gute in seiner Schöpfung ankommt, so, als gedankliche Vorstellung einer Ewigkeit, wo wir mit allen am Tisch sitzen und Abend essen.


DN: Sehr schön. Ja, das Thema nochmal. Früher hat man sich mit Ablassbriefen freigekauft. So, wenn wir auf die Gegenwart schauen: Sind dann gute Taten als Absolution zu sehen?


DG: Das ist ganz spannend. Jeder von uns, finde ich, macht Fehler. Und tagtäglich scheitern wir an unserer Bestimmung, die von Gott in uns vorgegeben ist. Und am Ende wird eben nicht plus und minus gerechnet, sondern Gott selbst schafft die Sünde aus der Welt und er führt uns Menschen zu unserer ursprünglichen Bestimmung, nämlich zu ihm, zurück. Und alles andere ist für mich und wäre für mich eine menschliche Vorstellung 2.0. Das ist wieder Leistung, das ist wieder: Wer kann mehr? Und das kann nicht sein. Aber gleichzeitig muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Sünde eben nicht identisch ist mit dem Wesen der Passion oder anders gesagt: Gott hasst die Sünde und liebt den Sünder, er hasst die Tat und liebt den Menschen. Er liebt den Menschen, egal, was er tut. Und das wird so ein bisschen aus der Lutherischen Theologie so ein bisschen rausgeklammert, so, oder wird auch in der Kirche nicht mehr so oft dargestellt. Ich finde das schon wichtig, nochmal zu sagen: Der Zorn Jesu über alle selbstgefälligen Sünder, die glauben, sie brauchen keine Erlösung, war riesengroß. Und die Passion Jesu ist auch keinesfalls billige Gnade, so ein Freifahrtschein von Leck-mich-am-Arsch-Leben. Nein, wenn man sich das Evangelium mal wirklich durchliest, dann machen sie kein Hehl daraus, die Sünder sichtbar zu machen und die auch zu verurteilen. Also das Verhalten, was der Trennung von Gott entsteht. Und Jesus selber zerrt das Böse ans Tageslicht. Das Kreuz ist für mich ein Mahnmal dafür, was Gott will und was eben nicht. Und das Kreuz ist ein Symbol für das Scheitern unserer menschlichen und von Gott gedachten Bestimmung. Umgekehrt ist so das der Preis der Freiheit sonst hätten wir marionettenmäßig, wo Gott irgendwann eingreifen würde. Und das Kreuz zeigt uns, wir sind eben alles Sünder, es gibt keine Person, die fehlerfrei ist. Helene Fischer singt das, mal ein kurzer Exkurs von so einem ernsten Thema, keiner ist fehlerfrei. Was ich aber auch spannend-, ich habe extra nochmal nachgehört heute Morgen, ist die gute Nachricht dahinter: Es muss auch nicht sein. Weil keine Tat, keine Likes, keine Hinter-, kein Hinterherrennen der Perfektion führt uns näher an die Erlösung und keine schlechte Tat bringt uns weiter von ihr weg. Genau darin liegt die Vergebung. Wir stehen als Menschen irgendwann vor Gott und wir werden verwandelt. Vielleicht auch, und das ist auch was, was aus der Lutherischen Theologie ein bisschen ausgeklammert wurde, sag ich oder in der Kirche ausgeklammert wird. Was Luther auch sehr stark betont hat, das kann auch ein schmerzhafter Prozess der Abtötung sein, dass wir eben die Mächte, die uns jetzt gefangen halten, eben die Gottes Schöpfung gefährden, dass wir von denen getrennt werden. Weil alles Böse und Trennende zergeht eben in der endzeitlichen Liebesmacht unseres Gottes. Ein schöner Satz, in Markus 1:15, da heißt es: „denkt um, denkt anders. Also nehmt die Welt als einen Ort Gottes wahr, sucht die Spuren Gottes in der Liebe in der Welt oder anders formuliert: Das Gute muss existieren, weil das zu der Idee des Guten gehört, dass nicht das Böse das letzte Wort hat. Denn am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende. Und darauf will und muss ich als Christ hoffen.


DN: Okay, aber in unserem Fall ist es gut. Und damit ist es auch das Ende.


DG: Sehr weltlich gedacht. Für unseren Podcast ist es heute gut und es ist zu Ende. Sehr, sehr schön. So machen wir das. Und ja, wir freuen uns. Ich muss noch darauf hinweisen, ein Werbeanzeige streuen an das Buch: Woran können wir glauben von Ralf Frisch, erschienen im Kohlhammer-Verlag. Da sind viele der Gedanken her, wer da mal tief einsteigen will, kann das gerne lesen. Woran können wir glauben, Ralf Frisch, erschienen im Kohlhammer-Verlag.


DN: Alles klar.


DG: Bleibt sauber.


DN: Servus, tschüss.


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